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Drei Thesen

Reformation für die Gegenwart

Luthers Bibelübersetzung wirkte wie ein Hammer

Luthers Bibelübersetzung wirkte wie ein Hammer

Mit starken und auch provozierenden Worten hat sich der Politikberater und Blogger Erik Flügge zur Reformation geäußert. Engagiert und provozierend sorgt sich er sich um die Kirche. Drei Zitate haben wir dem Präses der Synode, einer Pröpstin, einem Dekan und einem Gemeindepfarrer vorgelegt und sie um ihre Meinung gebeten.

These 1

Die Reformation darf man nicht lieblich-sanft verklären. Sie ist der Vorschlaghammer, der das Haus zertrümmert.

Ulrich Oelschläger, Präses der Kirchensynode der EKHN, setzt hinter den „Vorschlaghammer“ erst mal ein Fragezeichen: „Sicher, sie war ein Aufbruch, hat die Menschen frei gemacht von der Sorge sich das Seelenheil verdienen zu müssen, …aber zertrümmert?“ Nein, sie habe das Haus vergrößert, einen neuen großen Raum hinzugefügt.  Pröpstin Annegret Puttkammer aus Herborn meint, die Reformation habe das Haus des Mittelalters komplett umgestaltet. „Mit positiven Folgen wie Freiheit des Einzelnen oder Bildung für alle. Aber auch mit kriegerischen Auseinandersetzungen und schrecklichem Leid in Mitteleuropa.“

Pfarrer Klaus Neumeier aus Bad Vilbel widerspricht dem „Vorschlaghammer“. Die Reformation habe „vor allem ein neues Haus mit vielen sehr wichtigen neuen Räumen gebaut – für Glaube und Kultur!“ Luther habe nicht primär zerstören wollen, sondern habe tatsächlich reformieren wollen. Auch Dekan Martin Fedler-Raupp aus dem Dekanat Kronberg widerspricht: „Nicht gewaltsam hat die Reformation gewirkt, sondern durch das Wort.“ Und er zitiert Luther, der habe niemanden zum Glauben „ zwingen und dringen“ wollen, „denn Gott tut das alleine und macht, dass der Glaube im Herzen lebt“.

These 2

Sola Scriptura – nur die Schrift – war damals alles. Heute ist es nicht mehr genug.

„Sola scriptura war auch damals nicht alles, ergänzt Pröpstin Puttkammer. Luther habe ebenso Gnade, Glaube und Christus ins Zentrum gerückt. „Diese vier bilden bis heute das Zentrum des Protestantismus.“ Das Schriftprinzip müsse sich dem „Christus allein“ unterordnen, entgegnet Dekan Fedler-Raupp. „Nur von der Erlösung, die Christus vollbracht hat, können wir die Schrift recht begreifen.“  Wie das Evangelium von Jesus Christus die Menschen erreiche, sei die entscheidende Frage für die Reformatoren gewesen.

Auch Pfarrer Neumeier möchte das Schriftprinzip nicht allein stehen lassen. „Allein aus Gnade“ sei heute besonders wichtig. Im Druck der heutigen Leistungsgesellschaft habe ein Mensch „einen göttlichen und hoffentlich auch menschlichen Wert“. Für Präses Oelschläger bleibt die Schrift für evangelische Christen Bezugspunkt jeder theologischen Aussage. „Aber die Schrift muss verstanden werden im Dialog  mit der Naturwissenschaft und der gesellschaftlichen Wirklichkeit.“ So müssten nicht nur Theologen heute eine Antwort finden auf die Frage nach dem dritten Geschlecht, das in der Bibel nicht genannt würde, aber wissenschaftlich bestätigt sei.

These 3

Wer immer erst den internen Konsens suchen muss, kann keine kraftvolle Position in der Gesellschaft mehr beziehen.

Dekan Fedler-Raupp stimmt dieser These uneingeschränkt zu. „Es geht darum, klar und rücksichtslos zu sagen, was mein Glaube ist.“ Es gelte kraftvoll zu vertreten: „Ich bin und bleibe in Gottes Hand.“ Pröpstin Puttkammer meint: „wer keinen Konsens sucht, wird zwar spektakulär aufrütteln, jedoch nicht wirklich verändern.  Es brauche immer beides, „Revolutionäres Vordenken und evolutionäres Umgestalten“.

Für Klaus Neumeier ist es wichtig, abzuwägen, wo ein Kompromiss und wo eine „kraftvolle Gegenposition“ angebracht ist. „Kommunikation hilft“ sei auch heute als Grundsatz in Kirche und Gesellschaft unersetzbar. „Aber Kommunikation ist nicht von einer Seite aus machbar.“ So meint auch Präses Oelschläger, dass ein gemeinsames Wort stärker wirkt. Er weiß aber auch aus eigener Erfahrung, dass „die stetige Suche nach Konsens lähmen kann“.


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