Ausbau der A49
Dannenröder Forst: Kirche ruft zu Gewaltverzicht auf
Leitende Geistliche der evangelischen Kirche haben angesichts des wachsenden Konflikts um den Ausbau der A49 in Mittelhessen dazu aufgerufen, auf Gewalt zu verzichten und den Konflikt friedlich auszutragen. Es gehöre zur Demokratie, unterschiedlicher Meinung zu sein und dies auch zu zeigen, aber nicht, indem man andere Menschen verletze. Bei der Räumung des Dannenröder Forstes, den Umweltaktivisten besetzt hatten, war es in den vergangenen Tagen wiederholt zu Gewalt auf Seiten der Protestierenden und der Polizei gekommen.
Spirale der Gewalt abwenden
Propst Helmut Wöllenstein von der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck (Marburg) und Propst Matthias Schmidt von der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (Gießen) riefen am Donnerstag dazu auf, den Konflikt wieder friedlich auszutragen. Sie fürchteten eine Spirale der Gewalt. „Es darf nicht dazu kommen, dass auf Seiten der Demonstrierenden oder der Polizei weiter Menschen verletzt werden“, so Propst Wöllenstein. Es sei „ein guter Grundsatz, Meinungen auszutauschen, aber auch so zu streiten, dass die Würde der Person geachtet und Lernprozesse gegenseitig zugebilligt werden“, sagte er.
Blank gescheuerte Nerven
Nach Worten von Propst Schmidt „haben in der Region viele Angst davor, dass es nicht gelingt, bei den Protesten friedlich zu bleiben“. Schmidt fürchtet, dass „einerseits Baumhaus-Bewohner verletzt und andererseits Polizisten bei der Räumung mit Gewalt überzogen werden“. Schmidt sieht es deshalb als umso dringlicher an, „dass sich trotz gegenläufiger Positionen alle für den Schutz der Persönlichkeitsrechte ihres jeweiligen Gegenübers einsetzen und einer Eskalationsspirale entgegenwirken“. Beide appellieren: „Als Menschen sind wir alle seelisch und körperlich verletzlich. Die Corona-Pandemie führt uns dies in aller Deutlichkeit vor Augen. Umso wichtiger ist es in Zeiten blank gescheuerter Nerven und steigender Dünnhäutigkeit, in Konflikten eine Kultur der Friedfertigkeit zu vertreten.“
Deeskalation und Politik gefragt
Die Dekanin des Dekanats Vogelsberg, Dorette Seibert, erklärte, dass das evangelische Dekanat in den vergangenen Monaten versucht habe, mit beiden Seiten im Gespräch zu sein. „Wir haben Vertrauen aufgebaut. Es braucht deeskalierende Gespräche und politische Lösungen“, so Seibert. Zuletzt seien jedoch in vielen gesellschaftspolitischen Auseinandersetzungen eine „drastische Verschärfung des Umgangstons, steigende Unfairness und tendenziöse Berichterstattung, insbesondere in Messenger-Diensten, zu erleben“, sagte sie. Dadurch drohe bei vielen politischen Themen eine dauerhafte Spaltung in den Gemeinden vor Ort. Auch in Mittelhessen sei im Laufe des lang andauernden Konfliktes um den Ausbau der A 49 teilweise eine Abkehr von der Sachorientierung hin zu persönlicher Diffamierung zu bemerken. Eine Deeskalation und ein Zurück zu mehr gegenseitigen Respekt sei nun notwendig.
Hintergrund:
Positionspapier des Dekanats Vogelsberg zum Ausbau der A49:
https://vogelsberg-evangelisch.de/fileadmin/content/dekanat-vogelsberg/Bilder/2020/pdf/FGBdS_Verlautbarung_A49.pdf
Mit Befürwortern und Gegnern der Rodung des Waldes haben Reporter des evangelischen publizistischen Portals Indeon gesprochen - zu sehen hier auch im Video