Digitale Angebote
Eine andere Art von Nähe
„Wie schaffe ich es, den Kontakt zur Gemeinde zu halten? Das war mir ein Anliegen“, sagt Christine Heuser, Pfarrerin in Kleestadt und Richen. Andachten auf Youtube waren für sie gleich zu Beginn der Corona-Pandemie und der damit verbundenen Kontaktbeschränkungen ein Mittel. Und so stieg sie für ihren ersten Online-Gottesdienst auf den Kirchturm der Kleestädter Kirche und wandte sich auf diesem Weg an die Gläubigen.
Mittlerweile zeichnet Christine Heuser jede Woche eine Andacht auf und stellt sie bei Youtube ein. Ihr Mann filmt, ihr Sohn hat ihr gezeigt, wie man schneidet. Anfangs dachte die Pfarrerin, dass sie gerade ihre treuen Gottesdienstbesucherinnen und -besucher, die meist älter sind, mit einem digitalen Angebot nicht erreicht. Doch weit gefehlt: Kinder oder Enkel stellen kurzerhand Handy oder Tablet zur Verfügung, damit die Großeltern Gottesdienst mit der Ortspfarrerin feiern können. Besonders berührt haben die Pfarrerin Rückmeldungen, dass Videoandachten auch in existenziellen Situationen wie etwa in der Sterbebegleitung eingesetzt werden und auch dort einen Platz finden.
Ältere werden digital mitversorgt
Ähnliche Erfahrungen macht auch der Fränkisch-Crumbacher Pfarrer Thomas Worch. Die Kirchengemeinde stellt regelmäßig Bilder, Musik-Mitschnitte, Geschichten und Impulse – auch zum Download – auf ihrer Homepage. „Dass die älteren Menschen digital abgehängt sind, stimmt nicht“, sagt Worch. Ältere würden über Nachbarn und Familie auf dem Laufenden gehalten. Fernsehgottesdienste seien zwar technisch perfekt, aber die Leute freuten sich, ihren vertrauten Pfarrer und ihre Kirche zu sehen. „So haben sie das Gefühl, in der Isolation nicht vergessen zu werden.“ Eine weitere Beobachtung von Thomas Worch: Er erreiche nicht nur die sogenannte Hochverbundenen, sondern auch Kirchenferne.
Eine andere Art von Nähe trotz der Distanz ist entstanden. Digitale Angebote sind das eine, Briefe, Telefonate und offene Kirchen das andere. „War es vor der Krise eher üblich, dass die Menschen zu kirchlichen Angeboten in die kirchlichen Räume kamen – Gemeindehaus und Kirche – so bewirken die Kontaktbeschränkungen das Gegenteil: die Kirche kommt zu den Menschen auf vielfältige, fantasievolle Weise: digital oder analog, übers Telefon, über einen eingeworfenen Brief oder ein Gartenzaungespräch in sicherer Distanz oder den allabendlichen Gesang in der Nachbarschaft“, sagt Dekan Joachim Meyer. Er fragt sich, was von diesen wertvollen und menschennahen Angeboten auch künftig beibehalten werde, wenn kirchliche Räume wieder vorsichtig geöffnet werden und ermutigt die Gemeinden dazu, auch weiterhin „ansteckungsfrei und fröhlich“ zu experimentieren.
Andachten beim Metzger
Etliche Kirchen im Evangelischen Dekanat Vorderer Odenwald sind – unter Berücksichtigung der geltenden Hygieneregeln – offen. Andachten liegen oder hängen aus. „Unsere offene Kirche wird gut genutzt“, sagt der Niedernhäuser Pfarrer Simon Körber. Die Tür zur St. Johannes der Täufer-Kirche mit ihrem weitläufigen Kirchengelände steht immer offen. Nach Ostern hatte Simon Körber so viele Fürbitten wie nie im Fürbittkasten, die er dann am darauffolgenden Sonntag allein in der Kirche vor Gott vorgebracht hat.
Um die Gemeinde möglichst umfassend zu erreichen, legt mancher Pfarrer, manche Pfarrerin die Andachten beim Bäcker oder Metzger aus oder bringt sie per Fahrrad zu den Briefkästen der Gemeindeglieder. Kontakthalten und Seelsorge am Fenster oder Gartenzaun – oder per Telefon. Michaela Meingast, Pfarrerin in Klein-Umstadt, Raibach und Dorndiel, macht das, wie viele ihrer Kolleginnen und Kollegen auch, seit der ersten Woche mit Kontaktbeschränkung. „Dadurch fühle ich mich eng mit der Gemeinde verbunden“, sagt sie.
Christine Heuser war schon an verschiedenen Orten, um ihre Andachten zu filmen. Als die Hamsterkäufe noch das große Thema waren, nahm sie kurzerhand Kontakt zu einem Zoohändler auf. Am Sonntag Misericordias Domini, dem Sonntag des guten Hirten, predigte sie von der Schafweide. Die Kirchengemeinde Groß-Umstadt, die ebenfalls seit Krisenbeginn mit einem regelmäßigen digitalen Andachtsangebot dabei ist, streamte schon Andachten aus dem Pfarrgarten, der Kreisklink und auch von der Schafweide.
Aber kostet es nicht auch Überwindung, allein in der leeren Kirche zu singen und dann noch für eine unbekannte Internet-Gemeinde? Für Christine Heuser ist das kein Thema. „Es geht nicht um meine Person, sondern um die Botschaft“, sagt die Pfarrerin, „dafür nehme ich dann auch mal in Kauf, dass mal etwas nicht ganz 100-prozentig ist.“
Übersicht über regelmäßige digitale Angebote im Evangelischen Dekanat Vorderer Odenwald:
Ev. Kirchengemeinden Altheim und Harpertshausen:
auf www.pscp.tv „KircheAltheim“ in der Suchmaske eingeben
Ev. Friedensgemeinde Eppertshausen:
www.youtube.com/channel/UCkxNF8-UC9h4NgxQ5JCQ6_Q
Ev. Kirchengemeinde Fränkisch-Crumbach:
www.kirche-fraenkisch-crumbach.de
Ev. Kirchengemeinde Groß-Umstadt:
www.youtube.com/channel/UC2g6ZsOq1I5BAH6bLxPmc0Q
Ev. Kirchengemeinden Kleestadt und Richen:
www.youtube.com/channel/UCbYbXTi_TWnQxrhaUENqYTA
Evangelische Kirchengemeinde Langstadt-Schlierbach:
Videoandachten und Podcasts auf www.langstadt-aktuell.de/kirche-langstadt/index.htm
Ev. Martinsgemeinde Münster:
www.youtube.com/channel/UC9MuPiOHfFrm8Id9Z_JqSSQ
Ev. Kirchengemeinde Schaafheim:
www.youtube.com/channel/UCk--8O9Ai1uwGc57eQlelBA
Ev. Kirchengemeinde Winterkasten:
www.youtube.com/channel/UCuMUErBHNlfCk6-PIJtlV_A