Kirche und Corona
EKD-Studie zu digitalen Gottesdiensten und Verkündigungsformaten
„Der Gottesdienst ist nach der Corona-Pandemie spürbar facettenreicher geworden“, sagte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, während der digitalen Pressekonferenz zum Johannistag, bei der auch die Studie „Digitale Verkündigungsformate während der Corona-Krise“ vorgestellt wurde. „Schon jetzt sehen wir, dass die Kirche zu Neuem aufbricht“, sagte Bedford-Strohm. Es seien viele neue Formate entstanden. Interessierte fänden nun im Internet das Angebot, das sie begeistert - vom kurzen Andachtsimpuls bis zur anspruchsvoll gestalteten Gottesdienstfeier, denn viele Gemeinden hätten sich angesichts der Versammlungsverbote sehr schnell digital auf den Weg gemacht und Neues ausprobiert. Der EKD-Ratsvorsitzende erzählte von der Vorbereitung eines Zoom-Gottesdienstes, der aus den Zoom-Proben eines Gospelchors entstanden sei: „Besonders beeindruckt hat mich, wie sich die Mauern unserer Kirche dadurch öffneten und sich viele neue Menschen an der Vorbereitung beteiligten und im Gottesdienst mitwirkten.“ Dadurch werde sich auch Kirche insgesamt ändern: „Sie wird bunter und vielfältiger sein“, so Bedford-Strohm.
Beispiele aus der EKHN
Auch in der EKHN sind die Gemeinden schnell kreativ geworden. Schätzungen zufolge sind während der Corona-Zeit etwa 400 Gottesdienste von 130 bis 150 Gemeinden entstanden. Nach einer vorläufigen Abfrage der EKHN hatten sie dabei durchschnittlich fast 500 digitale Gäste. Zu den bekanntesten Beispielen zählen etwa der Online-Gottesdienst „Corona & Gott“ der Andreasgemeinde Niederhöchstadt, die Sofa-Kirche der Kirchengemeinde Traisa, die Liveandacht aus der Christuskirchengemeinde in Bad Vilbel und oder der Online-Gottesdienst "Living-Room" sowie die verschiedenen Angebote der Marienstiftsgemeinde Lich. Die EKHN-Redaktion hat auf ihrer Sonderseite www.ekhn.de/Corona Dutzende von Angeboten gesammelt. Auch sie sollen in den kommenden Monaten nochmals näher ausgewertet werden.
360-Grad-Gottesdienst in Lich
Wie das Beispiel Lich: Mitte März fand dort der letzte „normale“ Gottesdienst statt, berichtet Pfarrer Lutz Neumeier. Zwei Tage später begannen die Mittagsgebete, die immer Dienstag bis Freitag um 12 Uhr live aus der Kirche auf YouTube, Facebook und Twitch streamte. 32 Mittagsgebete entstanden so mit mehr als 3500 Besuchen.
Am Pfingstsonntag dann gab es einen besonderen Gottesdienst: Die Teilnehmenden konnten sich beim „Gottesdienst auf/aus der Spur“ virtuell in die Kirche begeben: In einem 360-Grad-Foto umschauen, auf verschiedene Stationen klicken, Bibeltext oder Psalm anschauen, Predigtgespräch oder Orgelmusik verfolgen und sich beteiligen. Auf mehr als 100 Endgeräten wurde am Pfingstsonntag dieser Gottesdienst mitgefeiert, zum Teil saßen ganze Familien vor einem Bildschirm, wie Neumeier berichtet.
Persönliche Begegnungen bleiben unverzichtbar
„Natürlich ersetzen alle diese digitalen Formate nicht die persönliche Begegnung in unseren Kirchen. Deswegen finde ich es spannend, dass es nun viele Gottesdienste gibt, die sowohl in den Kirchen als auch im Internet mitgefeiert werden können“, so der EKD-Ratsvorsitzende Bedford-Strohm weiter. Dies deckt sich mit den Ergebnissen der Studie, die die Evangelische Arbeitsstelle für missionarische Kirchenentwicklung und diakonische Profilbildung (midi) im Auftrag des Kirchenamtes der EKD durchgeführt hat. Demnach gaben 72 Prozent aller Befragten an, dass sie die digitalen Formate nach dem Lockdown fortführen wollen. Es ist deshalb davon auszugehen, dass künftig vermehrt mit hybriden Formaten, bei denen sowohl eine direkte Teilnahme in einer Kirche als auch die digitale Teilnahme möglich ist, zu rechnen sei.
Fast 900 Rückmeldungen aus den Kirchen
Man könne von einem Digitalisierungsschub in der evangelischen Kirche sprechen, berichtete Daniel Hörsch, der als Sozialwissenschaftlicher Referent bei midi die Studie geleitet hat. Zudem freute er sich über die große Beteiligung bei den Befragten: „Als repräsentative Stichprobe wurden vier Landeskirchen ausgewählt: die Nordkirche, die Ev. Kirche in Mitteldeutschland, die Ev. Kirche von Kurhessen-Waldeck und die Ev. Landeskirche in Württemberg. Insgesamt 897 Rückmeldungen konnten ausgewertet werde.“ Außerdem habe eine spürbare Ausdifferenzierung der digitalen Verkündigungsformate stattgefunden, erklärt Hörsch. Insbesondere die Form der digitalen Kurzandacht mit einem Anteil von 60 Prozent sei stark vertreten gewesen.
Übrigens: Weitere Studien zu den Online-Angeboten der Kirchen sind für die nächste Zeit geplant.