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Diakonie-Übergangswohnheim

Für Frauen in Not: Schutz in heftigen Zeiten

Frau im Dunkeln senkt den Blick

Frau im Dunkeln senkt den Blick

Wenn alles zusammen bricht, durch Schulden oder Gewalt in der Ehe, helfen Frauenhäuser oder Übergangswohnheime. Welche Schicksale Frauen erlebt haben, die obdachlos werden, hat Reporterin Charlotte Mattes erfahren. Sie war im Übergangswohnheim „Hannah“ der Diakonie in Frankfurt zu Gast und hat mit zwei betroffenen Frauen gesprochen.

Es ist hell, sauber und einladend im Übergangswohnheim in Frankfurt. Im Büro treffe ich Katrin Mönnighoff, sie leitet das Übergangswohnheim „Hannah – Wohnen für Frauen“. Seit Juli 2017 ist es Anlaufstelle für obdachlose Frauen. Die Leiterin strahlt herzliche Bodenständigkeit aus. Ihre Worte sind klar und zielgerichtet. Wir setzen uns auf die zwei Sessel, die auch für Beratungsgespräche dienen. Diese Sessel stehen also auch für das Leid, der Frauen, die in großer Not hier eintreffen. 

Unterschied: Frauenhaus vs. Übergangsheim

Die Gründe, warum Frauen kommen, sind unterschiedlich, schildert Mönnighoff: „Es gibt Frauen, die klingeln, weil sie nicht wissen, wo sie übernachten können, aber es rufen auch Beratungsstellen an, Kliniken oder auch die JVA.“ Hannah ist ein Übergangswohnheim, kein Frauenhaus. Der Unterschied besteht in den Voraussetzungen für eine Aufnahme. Im Übergangswohnheim ist die Voraussetzung, dass eine Frau obdachlos ist. Frauenhäuser sind Anlaufstellen für Frauen, die Gewalt erlebt haben.

Gewalt in der Ehe

Zwei Frauen, die obdachlos geworden sind, waren bereit mit mir zu sprechen. Pia, so nennen wir sie hier, ist 59 Jahre alt. Ihre Geschichte der Wohnungslosigkeit ist sehr lang und facettenreich. Die dreifache Mutter ist in Frankfurt aufgewachsen, dann aber mit ihrem zweiten Ehemann in die Schweiz ausgewandert. Weil sie „Gewalt in der Ehe erlebt hat, er spielsüchtig war und ihren kleinen Sohn misshandelt hat“, flüchtet sie zurück nach Frankfurt. Die finanzielle wie auch die rechtliche Lage sind schwierig. „Mein Mann hat mich wegen Kindesentführung angezeigt“, schildert sie. Doch sie behält das Sorgerecht für den damals 6-Jährigen, schlägt sich mit teilweise drei Jobs durch. Als der Sohn 13 Jahre alt ist, gibt es einen Wendepunkt. „Ich musste operiert werden und niemand konnte in der Zeit auf meinen Sohn aufpassen.“ Deshalb musste der Sohn zurück zu seinem Vater in die Schweiz. Dort lebt er bis heute. Mittlerweile ist er 17 Jahre alt.

Ohne Sohn alleine obdachlos

Über ihren Sohn zu sprechen fällt Pia schwer. Mehrfach laufen ihr Tränen über die Wangen, sie presst ihre Lippen zusammen und versucht stark zu sein. „Ich bin Mutter, der Schmerz meinen Sohn nicht zu sehen, hat mich auch psychisch krank gemacht“, erklärt Pia ihre Gefühle. Warum ihr Sohn nicht zurück zu ihr kommt, erfahre ich nicht genau. 

Bloß nicht auffallen als wohnungslose Frau

In der Zeit nach der Operation schlägt sich Pia als Untermieterin in diversen Wohnungen durch, „Ich war dann auch im Flughafen, mit einem Koffer, damit es so aussah, als wollte ich verreisen – ich habe mich nie gehen lassen, damit es nicht so auffällt.“ Bloß nicht auffallen, das ist auch die Erfahrung von Katrin Mönnighoff, sie erklärt: „Es gibt viele Frauen, die in den Tagestreffs duschen und dort ihre Wäsche wachen oder sich in der Drogerie schminken, um nicht zu zeigen: Ich bin wohnungslos und schutzlos.“

„Ich weiß nicht, warum ich das so lange alles mitgemacht habe“

Schutzlos war auch Nela, so nennen wir sie hier, eine Frau, die seit Mitte Januar 2020 einen Platz in einem der Appartements bekommen hat. Die Frau mit dem vollen schwarzen Haar und blitzendweißen Zähnen erzählt von ihren Plänen in die Türkei auszuwandern. Dort habe sie schon seit fünf Jahren mit ihrem Ehemann gelebt, die Wohnung in Frankfurt hätten sie aber vorerst behalten. Als sie sich entschieden komplett das Land zu verlassen, merkte Nela, dass ihr Mann „ganz andere Pläne mit ihr hatte“, als ihr lieb waren. „Er ist ein Narzisst mit Gewaltneigung, kein Mensch dem man vertrauen kann, ich weiß nicht, warum ich das so lange alles mitgemacht habe“, so beschreibt sie ihren Ehemann. Also geht sie alleine zurück nach Frankfurt, lebt ein knappes Jahr bei ihrer Schwester und Freunden. Zwei Nächte schläft sie alleine in ihrem Auto, „das war komisch und dann bereut man viel; dass man dem Ehemann vertraut hat und sich selbst nicht etwas aufgebaut hat.“ Auch die Leiterin von „Hannah“ bestätigt, dass es nach einer Zeit nicht mehr ohne eigene Wohnung geht: „Viele Frauen kommen erstmal bei Freunden oder Bekannten unter, aber irgendwann sagen die auch, jetzt musst du mal gehen.“

Negativer Schufa-Eintrag wird zum Verhängnis

Durch unbeantwortete Briefe, die Zahlungen forderten, landet Nela mit einem negativen Eintrag in der Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung, kurz Schufa. Ein negativer Eintrag kann dazu führen, keine Handy- oder Mietverträge mehr ausgestellt zu bekommen. Nela geht es so und deshalb landet sie erst auf einem Notbett bei „Hannah“, dann bekommt sie das Appartement.

„Jeder kann obdachlos werden“

Diese Schicksale zeigen, dass Obdachlosigkeit deutlich näher ist, als viele denken. Für Katrin Mönnighoff ist klar: „Jeder kann obdachlos werden. Man kann seinen Job verlieren, in einer persönlichen Krise stecken, wo man sich vielleicht auch überfordert fühlt mit der Post, dann macht man die Briefe eine Zeit lang nicht auf und dann steht der Gerichtsvollzieher vor der Tür.“ Das kann zu einer Zwangsräumung führen, „die kann für Frauen traumatisierend sein.“ Genau für solche Situationen gibt es „Hannah“, bis zu zwei Jahre können sich Frauen hier stabilisieren und unter Begleitung eine Perspektive aufbauen. Die Ziele werden individuell abgesteckt. Der Bedarf ist viel größer als das Angebot: „Am Tag sagen wir ungefähr drei bis fünf Notbett-Anfragen ab“, schildert Sozialarbeiterin Mönnighoff. Ein Grund dafür sind teure Mieten, sodass stabilisierte Frauen eine Wohnung in Frankfurt und Umgebung finanziell nicht stemmen können.

„Jeder Mensch kann fallen, aber jeder will ja aufgefangen werden“

Für Pia sind die eigenen vier Wände bei „Hannah“ ein riesiges Geschenk. Sie zeigt mir ihr Zimmer. Ein großer Raum, mit offener Küche und vielen Fotos an der Wand. Darauf ist auch ihr Sohn zu sehen. Im Dezember 2019 kam er sie besuchen, hier im Übergangswohnheim. Beide lächeln und umarmen sich. Als Pia mir das Foto zeigt, ist sie stolz und glücklich darüber, wieder mehr Kontakt mit ihrem Sohn zu haben. Sie weiß, wie es ist alleine und ohne Perspektive zu leben. „Jeder Mensch kann fallen, aber jeder will ja aufgefangen werden. Auch wenn es nur ein nettes Wort ist, das einem Kraft gibt. Man darf niemanden verurteilen. Ich verstehe die Menschen auf der Straße“, sagt sie nachdenklich „Ich verstehe sie.“


Übergangswohnheime des Diakonischen Werks für Frankfurt und Offenbach:

Hannah- Wohnen für Frauen 
Kurt-Schumacher-Str. 30-32
60313 Frankfurt am Main
069 2475 149-6511
katrin.moennighoff@diakonie-frankfurt-offenbach.de


Lilith - Wohnen für Frauen
Alfred-Brehm-Platz 15
60316 Frankfurt am Main
lilith.zefra@diakonie-frankfurt-offenbach.de

Bund fördert Einrichtungen mit 30 Millionen Euro

Auf Anfrage sagte eine Sprecherin des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: „Für das Bundesinvestitionsprogramm „Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen" stehen für das Jahr 2020 insgesamt - also bundesweit - 30 Millionen Euro zur Verfügung.“ Dieses Programm fördere: „den Aus-, Um- und Neubau, die Sanierung und der Erwerb von Hilfseinrichtungen im Rahmen innovativer Projekte.“ Das heißt: Auch Übergangswohnheime können davon profitieren, insofern diese den Anforderungen des Programms entsprechen.


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