Situation in Krankenhaus
Klinik: Corona-Infektionsrate gesenkt, aber immer jüngere Patienten mit psychischen Erkrankungen
Die Krankenhäuser in Deutschland haben die Versorgung von schwer an Corona-Erkrankten bisher gut in den Griff bekommen. Es standen ausreichend Intensivbetten zur Behandlung bereit, auch weil weniger dringende Operationen verschoben werden konnten.
Dr. Volker Jung, Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) besuchte die Rheinhessen Fachklinik in Alzey, ein Behandlungszentrum für Psychiatrie, Psychotherapie und Neurologie, um vor Ort Eindrücke zu sammeln, auch jenseits der Krisensituation.
Kurzes Durchatmen
Zum Glück habe sich die Situation in der Fachklinik Alzey etwas beruhigt und es gäbe derzeit nur einen positiv getesteten Patienten, beschrieb der kaufmännische Direktor Alexander Schneider die aktuelle Lage. Zu Beginn der Pandemie sei die Klinik aber arg gebeutelt worden, denn innerhalb weniger Tage infizierten sich 30 Patientinnen und Patienten mit dem Coronavirus, insbesondere ältere Menschen in der gerontopsychiatrischen Abteilung. Und auch Mitarbeitende traf es. Die Fachklinik schloss daraufhin ein ganzes Haus für den „Normalbetrieb“, und nutzte es, um infizierte Personen isolieren zu können.
Um die Infektionsrate möglichst gering zu halten, werde nun jeder neue Patient zuerst getestet, für einen Tag isoliert. Erst wenn der Test negativ ausfalle, werde er auf die Normalstation verlegt. Auch die Mitarbeitenden würden regelmäßig getestet und seien überwiegend negativ. „Und auch an Schutzkleidung mangele es derzeit bei uns nicht, so dass wir mal ein bisschen durchatmen können“, so Alexander Schneider.
Große Unterstützung durch Krankenhausseelsorge
In der Fachklinik arbeiten zwei Krankenhausseelsorger. Für Pflegedirektor Frank Müller seien sie in dieser schwierigen und unsicheren Zeit eine besonders große Hilfe. Sie besuchten die Patientinnen und Patienten weiterhin regelmäßig auf den Stationen, „auch wenn sie sich dadurch selbst in Gefahr bringen“, und hätten immer ein offenes Ohr für die Sorgen und Ängste der Mitarbeitenden.
Über diese Wertschätzung zeigte sich Kirchenpräsident Dr. Volker Jung besonders erfreut, gerade auch, weil momentan Stimmen laut würden, die Kirche hätte die Menschen in der Krise alleine gelassen. „Denn trotz der Kontaktsperren und für uns alle schwierigen Bedingungen haben viele Pfarrerinnen und Pfarrer und Kirchengemeinden kreative Ideen entwickelt, wie sie den Menschen nahe sein können“, so Jung. Er denke dabei besonders an die vielen „Über den Zaun Gespräche“, an Einkaufshilfedienste oder die vielen Gottesdienste im Netz.
Herausforderungen für die Fachklinik Alzey jenseits der Coronapandemie
Während psychiatrische Kliniken früher den Auftrag hatten, psychisch kranke Personen zu verwahren, gehe es heute um deren Wiedereingliederung in die Gesellschaft. „Mit dem Tag der Aufnahme wird bereits gleichzeitig die Entlassung geplant“, beschreibt Pflegedirektor Müller den Auftrag psychiatrischer Kliniken. Die Verweildauer der Patienten betrage heute im Schnitt 20 Tage. Damit Reintegration gelingen könne, brauche es gute Hilfesysteme im Gemeinwesen und daran arbeite man mit Kommunen gemeinsam.
Zwei Beobachtungen bereiten Müller Sorgen. Das Aufnahmealter von Kindern und Jugendlichen mit psychischen Erkrankungen verändert sich. Sie werden immer jünger und leiden häufig an Essstörungen, Drogensucht und -kriminalität sowie dissozialem Verhalten.
Und ältere Menschen leiden, besonders nach der Berufstätigkeit, zunehmend unter sozialer Isolierung, Vereinsamung und erkranken schließlich an Depressionen. „Darauf müssen wir alle Antworten finden“, so Müller.
Zur Rheinhessen Fachklinik Alzey
Die Fachklinik gehört zum Landeskrankenhaus Rheinland-Pfalz mit Hauptsitz in Andernach. Sie verfügt über 820 Betten in den Fachabteilungen Allgemeinpsychiatrie, Gerontopsychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie und –psychotherapie, Forensik und Neurologie.
In der Rheinhessen Fachklinik Alzey sind 1200 Mitarbeitende beschäftigt.
aktuelle Berichte zur Corona-Krise
(Margit Befurt)