Nach der Hochwasser-Katastrophe
Menschen aus der Flutregion haben sich Notfallseelsorgenden aus der EKHN anvertraut
Notfallseelsorgerin Caroline Dietrich ist ins Ahrtal gereist, um Menschen, die das Hochwasser erlebt haben, zur Seite zu stehen. Dabei hat sie viele Menschen getroffen, die Furchtbares erlebt haben. An ein Gespärch erinnert sie sich noch genau: „Er hat versucht zu helfen. Auf jede mögliche Art und Weise. Aber er konnte nicht verhindern, dass das Nachbarehepaar vor seinen Augen in den Fluten versank“, berichtet Caroline Dietrich. Sie fügt an: „Es war sehr wichtig, dass wir jetzt da waren“. Die Grundschullehrerin und Schulseelsorgerin aus Herborn-Merkenbach engagiert sich seit 16 Jahren bei der Notfallseelsorge Lahn-Dill. Gemeinsam mit dem Wetzlarer Pfarrer Björn Heymer hat sie dieses und Gespräch und noch viele weitere im Gebiet der Hochwasserkatastrophe geführt.
Über das Erlebte sprechen
„Dadurch, dass wir jetzt zu einem späteren Zeitpunkt kamen, fiel es dem Mann leichter, von den schweren Erfahrungen zu erzählen. Direkt nach dem Erlebnis wäre es zu früh gewesen“, sagt die 56-Jährige. „Er konnte es loswerden und beim Erzählen auch eigene Kräfte entdecken, die ihm bei der Verarbeitung helfen werden. Darüber hinaus weiß er, dass er weiter Hilfe bekommt, wenn er sie benötigt.“ Die Notfallseelsorger haben entsprechende Telefonnummern hinterlassen.
Caroline Dietrich hat sich zu diesem Einsatz bereit erklärt, weil sie für die Menschen in dem betroffenen Gebiet da sein wollte und es wichtig findet, dass qualifiziertes Personal wie die Notfallseelsorge vor Ort ist. Mit ihr sind elf Notfallseelsorgerinnen und Notfallseelsorger aus der Region ins Überschwemmungsgebiet gefahren. „Letztlich wurden wir neun Tage in zwei Teams mit insgesamt zehn Personen eingesetzt“, berichtet Pfarrer Eberhard Hoppe, Leiter der Ökumenischen Notfallseelsorge Lahn-Dill. So konnten sie sie die Teams in den von der Flutkatastrophe betroffenen Orten Ahrbrück, Dernau und Kreuzberg unterstützt. Der Katastropheneinsatz in den betroffenen Gebieten rund um die Ahr ist inzwischen offiziell beendet, doch neben anderen führt auch das ökumenische Team der Notfallseelsorge Lahn-Dill seine Arbeit dort weiter. Hintergrund ist: Die Notfallseelsorge vor Ort braucht Erholung und Unterstützung.
Viele Gespräche geführt
In den Straßen liegt immer noch der Schutt, den das Hochwasser hinterlassen hat, in einigen Orten wird auch der Hausmüll nicht mehr abgeholt. Der Verkehr ist sehr dicht, auch Wohnmobile fahren durch die von der Zerstörung betroffenen Ortschaften. „Die älteren Leute gehen hier nur noch mit der Axt ins Bett“, erzählt ein Mann, der von nächtlichen Einbrüchen berichtet. Den Menschen werde so das Letzte, was sie an Besitz haben, genommen. Es gebe auch Suizide und Suizidgefährdete.
In Ahrweiler gehen Notfallseelsorgerinnen über den völlig verwüsteten Friedhof und treffen eine junge Frau, die das Grab ihrer Freundin gefunden hat, aber verzweifelt den weggeschwemmten Grabstein sucht. Eine ältere Dame, die ihre Wohnung verloren hat, lebt nun in einem Altenheim mit fast ausschließlich Demenzkranken. Sie findet an einem Stützpunkt mit Lebensmittelausgabe und Gesprächsangebot auch Begleitung durch die Notfallseelsorge.
"Ich bin auch in Not"
Oft ziehen sie einfach mit ihren lilafarbenen Jacken durch die Straßen. Sie signalisieren, dass sie ansprechbar sind und begegnen den Menschen im Kontext des Glaubens. „Ich bin auch in Not und brauche Seelsorge!“, bittet beispielsweise eine Frau spontan, die die Notfallseelsorger erblickt.
Die Helferinnen und Helfer erzählen ihre Geschichten: Eine Frau hilft aus Dankbarkeit am Verpflegungsstützpunkt: „Ich kann nicht einfach in meiner schönen, unversehrten Wohnung bleiben und dabei zusehen, wie andere ihr Zuhause verloren haben.“ Eine Frau erzählt von Fluchterfahrungen aus ihrer Kindheit. Sie erlebte, wie ihr damals geholfen wurde und bringt jetzt jeden Tag einen großen Topf Suppe. Eine Dritte erzählt: „Bei mir steht ein Trocknungsgerät. Ich muss einfach etwas anderes sehen und engagiere mich daher jetzt hier.“
Auch die Martin-Luther-Kirche in Bad Neuenahr wurde von der Flut schwer getroffen. Trocken geblieben ist die Altarbibel mit der aufgeschlagenen Geschichte von Jesu Tod und Auferstehung.
Viele Menschen haben die Betroffenen mit Gebeten und Geldspenden unterstützt. Die Kooperation von vielen unterschiedlichen Menschen, Berufsgruppen und Systemen habe sehr gut geklappt, erzählt Pfarrer Hoppe, der neun Tage lang in Mendig ein Camp mit 65 Notfallseelsorgern mitkoordiniert hat. Der Leiter der Notfallseelsorge Lahn-Dill hat zudem selbst viel zugehört und Gespräche geführt. „Die Hilfe wird sehr dankbar angenommen“, sagt er.
Die Menschen nicht alleine lassen
Betroffene Menschen und auch Sanitäter seien froh darüber, nicht alleine gelassen zu werden. „Abends ist man müde“, schildert Hoppe seine Erfahrungen im Blick auf das ganze Team. Denn acht bis zwölf Lebens- und Hochwassergeschichten sind es in der Regel, die Notfallseelsorger an einem Tag hören.
Die vielen Eindrücke, Bilder und Erzählungen müssen auch von den Seelsorgekräften selbst verarbeitet werden. Daher wird es im Rahmen der nächsten Notfallseelsorge-Fortbildungsveranstaltung in der Region an Lahn und Dill die Gelegenheit geben, in der Gruppe die eigenen Erfahrungen auszutauschen. „Man wird sehr dankbar für das, was man zu Hause hat“, sagt Hoppe zum Schluss. Dabei sei nicht das Materielle wie der Garten oder das Auto wichtig. „Dass man Familie hat, ist nichts Selbstverständliches, sondern eine große Bereicherung.“ Von Uta Barnikol-Lübeck
Das Spendenkonto lautet: Kollektenkasse Hirzenhain; IBAN: DE 91 51 76 24 34 00 23 81 71 01; VR Bank Lahn-Dill eG; BIC: GENODE51BIK; Bitte genaue Anschrift und Verwendungszweck „Katastrophenhilfe Hochwasser VG Adenau“ angeben. Zum Jahreswechsel werden Spendenquittungen ausgestellt.
Aus der EKHN erreichen viele Spenden, die Menschen in den Katastrophengebieten. So zum Beispiel auch aus Schafheim. Die r Gruppe „Männer suchen Gott“ hat ihren Grillabend zum Spendensammeln genutzt. Dabei ist ein stolzes Sümmchen herausgekommen: 1500 Euro. Nun soll der Betrag an das Diakonische Werk überwiesen werden. sru