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Superpille und Droge zugleich

Sport ist gesund - kann aber süchtig machen

Fitness-Selfie

Der Kampf um "Likes" im Fitnessstudio

Sport ist heilsam. Das haben Sportwissenschaftler, Theologen und Ärzte auf dem Sportethischen Fachtag der Evangelischen Kirche in Deutschland in Frankfurt hervorgehoben. Sport führe nicht nur zu einem gesunden Körper, sondern trage auch stark zum psychischen Wohlergehen bei. Andererseits könne Sport aber auch ein bedenkliches Suchtpotenzial entwickeln.

Zu dem Fachtag unter dem Titel „Warum Fitness? Zwischen Körper-Kult und Seel-Sorge“ kamen rund 90 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus verschiedenen Bundesländern zusammen.

Fitness um jeden Preis und Krankheiten aus Bewegungsmangel - zwischen diesen Trends liegt der Sport. Im richtigen Maß ist er nicht nur für den Körper gesund. Sport kann auch zur Heilung der Seele beitragen. 

Frank Hofmanns Leben hat sich durch den Sport verändert. Das Laufen befreite ihn von Magersucht, berichtete der Philosoph und Theologe vor rund 90 Zuhörern am Freitag in Frankfurt am Main. Dann kam der Marathon, dann der Triathlon. „Der Sport bestimmte mein Leben mehr, als es Religion je geschafft hätte”, sagte der Chefredakteur des Hamburger Vereins „Andere Zeiten” auf dem Zweiten Sportethischen Fachtag der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Dann warf ihn eine Krankheit aus der Bahn - und heilte ihn von krankhaftem Ehrgeiz.

Laufen bei Lebenskrisen

Einen neuen Zugang zum Sport bekam Hofmann durch eine Theologin. Margot Käßmann erzählte ihm, wie Laufen ihr über Lebenskrisen hinweg geholfen habe. So fand der Philosoph und Journalist über das gesunde Laufen zur Theologie und zum Glauben. „Laufen ist wie Beten: Es vermittelt Selbsttranszendenz und schafft Glücksgefühle”, sagte Hofmann. Medizinisch beuge Ausdauersport 30 Krankheiten vor oder helfe sie therapieren. Dazu gehörten nicht nur Herz- und Kreislauf-Krankheiten, sondern auch Brust- und Prostatakrebs, Alzheimer oder Störungen des Hormonhaushalts. „Eine Pille mit diesen Wirkungen würde als Wundermedizin gelten.”

Superpille und Droge zugleich

Die Wundermedizin habe aber auch ihre Schattenseiten, erläuterte Hofmann: „Sport kann süchtig machen.” Die Ausschüttung von Glückshormonen könne zu einem Zwang zu ständiger Leistungssteigerung führen. So könne Sport zur Ersatzreligion werden oder zu transzendenter Erfahrung führen.

Auf die Ambivalenz des Leistungssportes wies auch der Deutsche Meister im Bodybuilding 2018, Andres Kempf, hin. Bei ihm und vielen anderen Bodybuildern habe Unzufriedenheit im Leben den Anstoß zu dem Sport gegeben, erzählte der Lehramtsstudent. Das Bodybuilding diene als emotionales Ventil und sorge für Ausgleich zum Alltag. Positiv seien die Entwicklung von Disziplin, Durchhaltevermögen und die Aufnahme in eine Gemeinschaft. Andererseits lauerten gesundheitliche Risiken, die Reduzierung der Aufmerksamkeit auf die äußere Erscheinung und der Verlust eines realistischen Selbstbildes.

Selbstoptimierung kann Druck erzeugen

Eine ähnliche Ambivalenz zeige sich im Boom von Fitness-Apps, berichtete die Münsteraner Sportpsychologin und ehemalige Leistungsschwimmerin Lena Busch. Die Apps in Smartphones oder Smartwatches, die ständig Ernährungs- und Biodaten messen, könnten das Gesundheitsverhalten fördern. Auf der anderen Seite könnten sie einen Druck zur Selbstoptimierung erzeugen, der zu Selbstzweifeln oder Essstörungen führen könne.

Angesichts von Bewegungsmangel und der Ausbreitung von Fettleibigkeit „würde ich manchmal für mehr Körperkult sprechen”, sagte der Kölner Sportwissenschaftler und Theologe Stefan Schneider. Eine Studie habe gezeigt, dass Studierende nach Ausdauerlaufen zufriedener und stressresistenter geworden seien. Auch Jesus sei nach den Berichten der Evangelien fast 1.060 Kilometer durch Israel gelaufen. „Wo der Körper krank wird, wird auch die Seele krank”, warnte Schneider. Sport hingegen fördere Stressabbau, Schlaf und seelische Ausgeglichenheit.

Sport als Teil der Krebstherapie

Die therapeutische Wirksamkeit von Sport bekräftigte die Chefärztin der Klinik für Onkologie und Hämatologie im Frankfurter Nordwest-Krankenhaus, Elke Jäger. Ein Versuch mit Krebspatienten habe ergeben, dass bei 80 Prozent der Teilnehmer von moderatem Ausdauersport die körperliche Leistung stieg und das ansonsten unbehandelbare Müdigkeitssymptom stark zurückging. Mit der Verbesserung des Gesundheitszustandes sei das Selbstvertrauen gewachsen, was wiederum die Therapiemöglichkeiten verbesserte. "Sport sollte Teil einer Krebsbehandlung sein", forderte die Medizinerin.

Lauftreffs schaffen Gemeinschaft

Auch Kirchengemeinden könnten Lauftreffs anbieten, sagte der EKD-Referent Kirche und Sport und Stadionpfarrer in der Frankfurter Commerzbank-Arena, Eugen Eckert. Lauftreffs holten Menschen aus der Einsamkeit heraus, schafften Gemeinschaft, förderten die Gesundheit und beugten Demenz vor. „Sport ist Seelsorge", fasste der Pfarrer zusammen.

 

 


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