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Religionsmonitor

Studie: Religiöse Toleranz in Deutschland verbreitet – Islam als Ausnahme

Die bedeutendsten Weltreligionen

Die bedeutendsten Weltreligionen

Laut der Bertelsmann-Stiftung sieht jeder zweite Deutsche den Islam als Bedrohung. Während demokratische Grundprinzipien und Werte unter Angehörigen der verschiedenen Religionen auf breite Zustimmung trifft, werden dabei nicht alle Religionen gleichermaßen einbezogen.

In Deutschland sind die Angehörigen der verschiedenen Religionen mehrheitlich davon überzeugt, dass die Demokratie eine gute Regierungsform ist. Das ist ein Ergebnis der Studie „Weltanschauliche Vielfalt und Demokratie“, die auf dem Religionsmonitor der Bertelsmann-Stiftung basiert. Demnach sprechen sich 89 Prozent der deutschen Bevölkerung für die Demokratie aus. Unter den Christen liegt der Anteil bei 93 Prozent der Befragten, unter Muslimen bei 91 Prozent und unter Konfessionslosen bei 83 Prozent. Auch der Schutz von Minderheiteninteressen als ein Grundprinzip der liberalen Demokratie wird von rund 80 Prozent der Bürger positiv bewertet.

Nur jeder Zweite meint, dass religiöse Pluralität Gesellschaft bereichert

Bei der Anerkennung religiöser Vielfalt gibt es laut der Studie Nachholbedarf: Grundsätzlich seien 87 Prozent der Befragten offen gegenüber anderen Weltanschauungen. Etwa 70 Prozent sprechen anderen Religionen auch einen Wahrheitsgehalt zu und seien somit als religiös tolerant anzusehen. Doch nur knapp jeder Zweite in Deutschland meine, dass religiöse Pluralität die Gesellschaft bereichert. Mit Blick auf den Islam sinke dieser Anteil noch einmal: Nur ein Drittel der Bevölkerung betrachte den Islam als Bereicherung. Christentum, Judentum, Hinduismus und Buddhismus werden hingegen von einer Mehrheit als bereichernd empfunden.

Jeder Zweite sieht Islam als Bedrohung

Insgesamt empfinde rund die Hälfte der Befragten den Islam als Bedrohung. In Ostdeutschland sei dieser Anteil mit 57 Prozent noch höher als in Westdeutschland (50 Prozent). Diese im Frühjahr 2019 erhobenen Daten unterscheiden sich kaum von den Ergebnissen der vorangegangenen Befragungen des Religionsmonitors aus den Jahren 2017, 2015 und 2013. „Offenbar sehen viele Menschen den Islam derzeit weniger als Religion, sondern vor allem als politische Ideologie an und nehmen ihn deswegen von der religiösen Toleranz aus“, erklärt Religions-Expertin Yasemin El-Menouar. Hierzu haben aus ihrer Sicht auch die gesellschaftlichen Debatten und Medienberichte der vergangenen Jahre beigetragen, die den Islam häufig in einen negativen und kritischen Zusammenhang rückten.

Skepsis gegenüber dem Islam bedeutet noch keine Islamfeindlichkeit

„Wir haben genauer untersucht, wie sich der Bevölkerungsanteil derer zusammensetzt, die den Islam als Bedrohung ansehen.“ Das Ergebnis: Es sei wichtig, hier zu differenzieren. „Zwar zeigt unsere Studie eine recht weit verbreitete Islamskepsis, aber die ist nicht unbedingt mit Islamfeindlichkeit gleichzusetzen2, sagt El-Menouar. „Viele Menschen äußern mit Blick auf den Islam Vorbehalte, leiten daraus aber keine politischen Forderungen oder antidemokratische Sichtweisen ab.“ Nur eine Minderheit der Bürger zeige eine deutlich islamfeindliche Sicht und fordere etwa, die Zuwanderung von Muslimen zu unterbinden.

Basis für gelingendes Zusammenleben: Persönliche Kontakte zwischen Religionen

Eine Erkenntnis des Religionsmonitors lautet, dass Menschen, die regelmäßig Kontakt zu Angehörigen anderer Religionen haben, religiöse Vielfalt und den Islam seltener als Bedrohung empfinden. In dieser Gruppe betrachten 46 Prozent den Islam sogar als eine Bereicherung. Unter den Personen, die kaum persönlichen Kontakt zu anderen Religionen haben, sehen dagegen 64 Prozent im Islam eine Bedrohung. Yasemin El-Menouar betont: „Nicht nur die Studien, auch die alltägliche Erfahrung zeigen: Im konkreten Alltag gelingt das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Religionen meist gut.“

Die drei größten Vorurteile gegenüber dem Islam im Check:

Der Islam-Referent im Zentrum Ökumene der EKKW und EKHN Andreas Herrmann nimmt Stellung zu den drei größten Vorurteilen gegenüber dem Islam:

Muslimische Frauen werden unterdrückt > Die Einführung des Islam war ein Fortschritt für arabische Frauen

Bei Vorträgen wird Andreas Herrmann häufig mit der Annahme konfrontiert, dass muslimische Frauen nicht gleichberechtigt mit Männern sind und sie ihre eigenen Vorstellungen und Wünsche kaum umsetzen können.

Hier empfiehlt der Islam-Referent einen differenzierten Blick: Vor der Einführung des Islam konnten arabische Frauen als Besitz vererbt werden. Der Koran hatte diese Praxis eingeschränkt, er gesteht Frauen zu, selbst erben zu können. Mit Blick auf die Geschichte habe der Koran einige Frauenrechte gestärkt. Dennoch sei es gegenwärtig eine Tatsache, dass in vielen muslimisch geprägten Ländern Frauen sich den Regeln des Patriarchats anpassen müssten, beispielsweise werden sie zum Teil aus dem öffentlichen Raum verdrängt. Die Ursache dafür sieht er allerdings nicht hauptsächlich im Islam. Andreas Herrmann erklärt: „Hier handelt es sich auch um patriarchale Strukturen, die es weltweit gibt.“

Das Kopftuch ist ein Symbol der Unterdrückung > Auch beruflich erfolgreiche Frauen tragen Kopftuch

So mancher sieht das innere Bild vor Augen: Hier die stylische, selbstbewusste, westliche Frau und dort die Muslima mit Kopftuch, die einige Schritte hinter ihrem Mann geht. Manche muslimische Frauen berichten allerdings recht selbstbewusst, dass sie gerne und aus freier Entscheidung das Kopftuch tragen. Pfarrer Herrmann hält es für sinnvoll, sich daran zu gewöhnen, dass „Verkäuferinnen, Lehrerinnen oder Medizinerinnen mit Kopftuch im öffentlichen Leben zu sehen sind.“ Allerdings unterstützt er das Ansinnen, über Geschlechterrollen nachzudenken, sich dabei allerdings nicht einseitig auf den muslimischen Kontext zu beschränken.

Der Islam ist eine Ursache für Gewalt > Es gibt liberale Muslime, deren Aussagen aber wenig wahrgenommen werden

Zum Teil nimm Andreas Herrmann wahr, dass dem Islam unterstellt werde, dass er zur Gewalt aufrufe, demokratiefeindlich und frauenfeindlich sei. Allerdings begegne er vielen liberal denkenden Muslimen, die sich für Frieden und Demokratie engagieren. Er hat beobachtet: „Ihre Aussagen werden zwar gehört, aber sie kommen nicht wirklich an. Es wäre schön, wenn wir den konstruktiven Signalen mehr Raum geben könnten.“ 


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