Corona in Pflegeheimen
Wie Seniorenheime durch die zweite Corona-Welle kommen
Ihren 90. Geburtstag im Sommer feierte Helma Heblich inmitten einer skurrilen Kulisse. Wegen der Coronavirus-Pandemie waren zu diesem Zeitpunkt Besuche in rheinland-pfälzischen Seniorenheimen noch verboten. Um wenigstens ein Wiedersehen mit Angehörigen auf Distanz zu ermöglichen, hatte Heblichs Heimleitung einen Bauzaun um das Gelände herum errichtet, auf dessen beiden Seiten sich Bewohner und Gäste sich an mehreren "Treffpunkten" zumindest gegenübersitzen konnten. "Das Glas Sekt konnte man auch durchreichen", erinnert sich die Seniorin. Inzwischen wurden die flächendeckenden Besuchsverbote zurückgenommen, aber die Angst wächst, dass es erneut zu einschneidenden Maßnahmen kommt.
"Skype und Whatsapp können Berührungen nicht ersetzen"
Die Betreiber von Pflegeheimen hatten im Frühjahr enorme Anstrengungen unternommen, um weiter Kontakte zwischen Bewohnern und Angehörigen zu ermöglichen. "Aber Skype und Whatsapp können Berührungen nicht ersetzen", sagt Daniel Plavczyk, Pflegedienstleiter in Helma Heblichs DRK-Seniorenzentrum in Rüdesheim bei Bad Kreuznach. Auch, wenn viele Bewohner die Einschränkungen und Infektionsschutz-Verbote tapfer ertragen hätten, seien die seelischen Folgen doch spürbar gewesen: "Manche Leute haben sich zurückgezogen, wurden apathischer." Insbesondere an Demenz erkrankte Bewohner hätten manchmal gar nicht verstanden, was eigentlich passiere.
Wunsch nach einheitlichen Besuchsregeln
Der Pflegeschutzbund Biva, Interessensverband von Pflegebedürftigen mit Sitz in Bonn äußerte bereits seine Sorge über eine neue Verschärfung der Besuchs- und Ausgangsregeln. Einzelnen Einrichtungen, etwa in Hessen und Bayern, hätten bereits wieder "zugemacht" sagte der Verbandsvorsitzende Manfred Stegger in einem Interview mit der "Welt". Kritik gibt es an uneinheitlichen Besuchsregelungen verschiedener Träger und daran, dass behördlich angeordnete Einschränkungen mancherorts von den Einrichtungsleitungen noch eigenmächtig weiter verschärft würden.
In Mainz soll es kein generelles Besuchsverbot geben
In Mainz haben sich Landesregierung und Heimbetreiber bereits festgelegt. "Ein generelles Verbot von Besuchen soll es für Angehörige in Rheinland-Pfalz nicht mehr geben", erklärte Gesundheitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD) am Donnerstag. Selbst Heime, in denen es nachweislich Corona-Fälle gibt, sollen nicht mehr komplett für mehrere Wochen von der Außenwelt abgeschlossen werden. Allenfalls für eine kurze Zeit sei das denkbar - bis die Testergebnisse für alle Bewohner und das Personal vorliegen.
Der Gesundheitsschutz für die in der Pandemie besonders gefährdeten Heimbewohner habe oberste Priorität, erklärte die Mainzer Ministerin. Aber das gelte gleichermaßen für den Schutz vor einer Infektion wie für den Schutz vor den gesundheitlichen Folgen von sozialer Isolation. Einschränkungen bei der Zahl der täglichen Besuche sollen aber erhalten bleiben - in Rheinland-Pfalz aktuell auf maximal zwei Personen je Bewohner pro Tag.
Personal soll sich einmal die Woche testen lassen
Um Ausbrüche von Covid-19 in Altenheimen möglichst zu verhindern, setzt das Land auf einen Paradigmenwechsel bei den Coronatests. Künftig sollen alle Heimbewohner und das Personal verdachtsunabhängig einmal in der Woche getestet werden. Die Heime erhalten dazu je nach Bewohnerzahl ein bestimmtes Kontingent an Antikörper-Schnelltests, das sie bei Bedarf gegebenenfalls auch für Besucher einsetzen können.
Die Verband privater Pflegeanbieter bpa hält darüber hinaus flächendeckende Schnelltests für alle Heimbesucher für angebracht und betont die Notwendigkeit vorheriger Terminabsprachen. "Eine Pflegefachkraft benötigt für die Durchführung eines Schnelltests etwa 20 Minuten", erklärte der bpa-Präsident Bernd Meurer. "Deshalb sind wir auf sehr klare Besuchsregelungen angewiesen. Kämen beispielsweise fünf Personen gleichzeitig zu Besuch, wäre mit erheblichen Wartezeiten zu rechnen."
Von Karsten Packeiser
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